Abstract
Hintergrund: Kinder mit neurologischen Erkrankungen bilden eine relevante Zielgruppe für die Sprachtherapie. Dysarthrien stellen dabei die häufigsten neurologisch bedingten Kommunikationsstörungen im Kindesalter dar. In vielen Fällen führen sie zu erheblichen Einschränkungen der sozialen Teilhabe (Mei et al., 2015). Die sprachtherapeutische Versorgung von Kindern mit Dysarthrie ist jedoch mit einigen Herausforderungen verbunden. Meist treten kindliche Dysarthrien im Rahmen einer Mehrfachbehinderung auf, begleitende Sprach- bzw. Kau- und Schluckstörungen erfordern oft ebenfalls sprachtherapeutische Intervention. Bislang wird das Thema der kindlichen Dysarthrien nicht standardmäßig in der sprachtherapeutischen Lehre behandelt, auch stehen wenige Fortbildungsangebote zur Verfügung. Zudem wurden sowohl im deutschsprachigen Raum als auch international bisher kaum spezifische diagnostische und therapeutische Ansätze für kindliche Dysarthrien veröffentlicht.
Bislang ist unklar, welcher Stellenwert den Dysarthrien bei der sprachtherapeutischen Versorgung neurologisch erkrankter Kinder eingeräumt wird. Auch ist fraglich, welche diagnostischen und therapeutischen Ansätze bei Therapeut*innen im deutschsprachigen Raum bekannt sind bzw. verwendet werden. Mit der vorliegenden Studie sollte anhand einer Onlineumfrage untersucht werden, auf welcher Basis die sprachtherapeutische Versorgung von Kindern mit Dysarthrien derzeit stattfindet. Die Ergebnisse sind Grundlage dafür, spezifische Lehr- und Fortbildungsangebote für Therapeut*innen zu entwickeln, um die Versorgung betroffener Kinder langfristig zu verbessern.
Methode: Die Onlineumfrage wurde mit der Software Qualtrics umgesetzt. Sie enthielt 23 Fragen, die demographische und berufsspezifische Daten (z.B. Arbeitsstätte, Berufserfahrung) ebenso abfragte wie die in der Diagnostik und Therapie angewandten Methoden und Verfahren. Dabei lag ein besonderer Fokus auf den kindlichen Dysarthrien.
Die Umfrage richtete sich an in der Sprachtherapie tätige Personen aller Professionen (z.B. Logopäd*innen, akad. Sprachtherapeut*innen) in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die derzeit oder in den letzten fünf Jahren Kinder mit neurologischen Erkrankungen behandelten. Die Rekrutierung fand über Bekanntmachungen der Berufsverbände, social media und Anschreiben therapeutischer Einrichtungen statt. In die Auswertungen wurden die Angaben von 68 Therapeut*innen eingeschlossen.
Ergebnisse: Alle Teilnehmer*innen der Umfrage behandelten Kinder mit Erkrankungen, die mit einem besonders häufigen Auftreten von Dysarthrien verbunden sind (z.B. Cerebralparese, genetische Syndrome). 78% gaben an im klinischen Alltag Dysarthriediagnostik oder -therapie durchzuführen (zum Vergleich: 96% führten Sprachentwicklungsdiagnostik und -therapie durch). Im Bereich Diagnostik wurden der Beurteilung der Verständlichkeit sowie der auditiven Analyse des Sprechens besondere Bedeutung beigemessen, allerdings nutzten nur wenige Teilnehmer*innen spezifische Ratingsskalen zur Einschätzung der Verständlichkeit (z.B. ICS-G; Neumann et al., 2017) oder verfügbare auditive Diagnostikverfahren (z.B. BoDyS-KiD; Haas et al., 2020). Die einzigen spezifisch für Kinder mit Dysarthrie entwickelten Therapieverfahren (z.B. LSVT-Kids; Boliek & Fox, 2017) wurden von den Teilnehmer*innen im klinischen Alltag kaum eingesetzt. Hauptsächlich kamen unterschiedliche Ansätze zur Artikulationstherapie zur Anwendung.
Diskussion: Auch wenn Dysarthrien die häufigsten neurogenen Kommunikationsstörungen im Kindesalter darstellen, bilden sie nicht den Schwerpunkt der Sprachtherapie mit neurologisch erkrankten Kindern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für eine umfassende Dysarthriediagnostik und -therapie gewisse sprachliche und kognitive Voraussetzungen bestehen, die womöglich therapeutisch zuerst erarbeitet werden müssen.
Die wenigen bisher verfügbaren Diagnostik- und Therapiemethoden für kindliche Dysarthrien haben sich bislang unter Therapeut*innen nicht durchgesetzt. Ein umfangreicheres Angebot von gezielten Lehr- und Fortbildungsmöglichkeiten könnte die Bekanntheit der Verfahren steigern. Zukünftige Forschung sollte außerdem weitere praktikable und kindgerechte Therapieverfahren entwickeln und evaluieren.
Bislang ist unklar, welcher Stellenwert den Dysarthrien bei der sprachtherapeutischen Versorgung neurologisch erkrankter Kinder eingeräumt wird. Auch ist fraglich, welche diagnostischen und therapeutischen Ansätze bei Therapeut*innen im deutschsprachigen Raum bekannt sind bzw. verwendet werden. Mit der vorliegenden Studie sollte anhand einer Onlineumfrage untersucht werden, auf welcher Basis die sprachtherapeutische Versorgung von Kindern mit Dysarthrien derzeit stattfindet. Die Ergebnisse sind Grundlage dafür, spezifische Lehr- und Fortbildungsangebote für Therapeut*innen zu entwickeln, um die Versorgung betroffener Kinder langfristig zu verbessern.
Methode: Die Onlineumfrage wurde mit der Software Qualtrics umgesetzt. Sie enthielt 23 Fragen, die demographische und berufsspezifische Daten (z.B. Arbeitsstätte, Berufserfahrung) ebenso abfragte wie die in der Diagnostik und Therapie angewandten Methoden und Verfahren. Dabei lag ein besonderer Fokus auf den kindlichen Dysarthrien.
Die Umfrage richtete sich an in der Sprachtherapie tätige Personen aller Professionen (z.B. Logopäd*innen, akad. Sprachtherapeut*innen) in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die derzeit oder in den letzten fünf Jahren Kinder mit neurologischen Erkrankungen behandelten. Die Rekrutierung fand über Bekanntmachungen der Berufsverbände, social media und Anschreiben therapeutischer Einrichtungen statt. In die Auswertungen wurden die Angaben von 68 Therapeut*innen eingeschlossen.
Ergebnisse: Alle Teilnehmer*innen der Umfrage behandelten Kinder mit Erkrankungen, die mit einem besonders häufigen Auftreten von Dysarthrien verbunden sind (z.B. Cerebralparese, genetische Syndrome). 78% gaben an im klinischen Alltag Dysarthriediagnostik oder -therapie durchzuführen (zum Vergleich: 96% führten Sprachentwicklungsdiagnostik und -therapie durch). Im Bereich Diagnostik wurden der Beurteilung der Verständlichkeit sowie der auditiven Analyse des Sprechens besondere Bedeutung beigemessen, allerdings nutzten nur wenige Teilnehmer*innen spezifische Ratingsskalen zur Einschätzung der Verständlichkeit (z.B. ICS-G; Neumann et al., 2017) oder verfügbare auditive Diagnostikverfahren (z.B. BoDyS-KiD; Haas et al., 2020). Die einzigen spezifisch für Kinder mit Dysarthrie entwickelten Therapieverfahren (z.B. LSVT-Kids; Boliek & Fox, 2017) wurden von den Teilnehmer*innen im klinischen Alltag kaum eingesetzt. Hauptsächlich kamen unterschiedliche Ansätze zur Artikulationstherapie zur Anwendung.
Diskussion: Auch wenn Dysarthrien die häufigsten neurogenen Kommunikationsstörungen im Kindesalter darstellen, bilden sie nicht den Schwerpunkt der Sprachtherapie mit neurologisch erkrankten Kindern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für eine umfassende Dysarthriediagnostik und -therapie gewisse sprachliche und kognitive Voraussetzungen bestehen, die womöglich therapeutisch zuerst erarbeitet werden müssen.
Die wenigen bisher verfügbaren Diagnostik- und Therapiemethoden für kindliche Dysarthrien haben sich bislang unter Therapeut*innen nicht durchgesetzt. Ein umfangreicheres Angebot von gezielten Lehr- und Fortbildungsmöglichkeiten könnte die Bekanntheit der Verfahren steigern. Zukünftige Forschung sollte außerdem weitere praktikable und kindgerechte Therapieverfahren entwickeln und evaluieren.
Translated title of the contribution | SLT provision for children with dysarthria - an online survey |
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Original language | German |
Publication status | Published - 4 Nov 2023 |
Event | GAB Tagung - Graz, Graz, Austria Duration: 2 Nov 2023 → 4 Nov 2023 |
Conference
Conference | GAB Tagung |
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Country/Territory | Austria |
City | Graz |
Period | 2/11/23 → 4/11/23 |
Keywords
- children
- neurological disease
- speech therapy
- dysarthia